15.Sonntag C Lk 10, 25-37

15.Sonntag 2016  – Wer ist mein Nächster?

Das heutige Evangelium hat uns allen etwas zu sagen. Der Schriftgelehrte fragte Jesus: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus stellte ihm eine Gegenfrage: Was steht im Gesetz? Er antwortete schlagfertig: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben usw. Deinen Nächsten wie du dich selbst. Sicher kennen  auch wir dieses Gebot. Die Frage ist, ob wir dieses Gebot der Liebe auch praktisch verwirklichen?

Predigt

Das Hauptgebot soll nicht nur Theorie sein, sondern ein Angebot für das praktische Leben. Auf die Frage des Schriftgelehrten: Wer ist mein Nächster? –  antwortete Jesus mit einem passenden Gleichnis. Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde  von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus  und schlugen ihn nieder. Da kamen drei Menschen des Weges. Zuerst war da ein Priester, ein Diener Gottes. Vielleicht ging er zum Gottesdienst nach Jerusalem. Er sah den verletzten Menschen, aber er ging einfach weiter. Dann kam ein Levit, auch er ist ein Diener Gottes. Er sah den verletzten Mann und ging auch weiter. Dann kam ein damals verachteter Samariter, das war kein  Jude, sondern sogar ein Feind der Juden. Er sah den Verletzten und hatte Mitleid mit ihm. Er blieb bei ihm und half ihm.  Und wir wissen, wie es weiterging.

Als Geschöpf Gottes hat nur der Mensch die Möglichkeit tiefer zu sehen. Das menschliche Auge sieht viele Sachen, viele Bedürfnisse. Das menschliche Herz ist fähig,  sie auch zu erfüllen. Der menschliche Verstand ist fähig, das Hauptgebot zu kennen. Aber nur das menschliche Herz und der Wille sind fähig,  dieses Gebot auch zu erfüllen.

Die erste und wichtige Sache aus diesem heutigen Evangelium, die wir uns aneignen sollen, ist: Der Samariter schaute nicht darauf, wer der Verletzte sei. Er sagte nicht:  Vielleicht ist das ein Jude. Ihm war klar, dass dieser Mensch Hilfe braucht.  Wenn wir das Hauptgebot leben wollen, dann sollen wir auf die gesellschaftliche Stellung des Menschen nicht schauen. Wir können uns für den Dienst  nicht auf Grund dessen entscheiden, ob das ein gläubige oder ungläubiger Mensch ist. Wir können nicht andere äußerliche Kriterien in den Vordergrund stellen, im Bezug auf den Dienst, den wir leisten können. Der Hauptgrund ist: Das ist mein Nächster, er ist ein Geschöpf Gottes, er ist mein Bruder, sie ist meine Schwester.

Beim Samariter nehmen wir wahr, dass er uneigennützig diente. Er brachte den Verletzten in eine Herberge und sorgte für ihn. Er hätte auch gleich  weitergehen können und sagen: Ich habe für ihn genug getan. Aber er übernachtete dort und gab dem Wirt Geld für die Sorge um den Verletzten. Er sagte zu ihm: Sorge für  ihn und  wenn du mehr  für ihn brauchst, werde ich  es  dir bezahlen, wenn ich  wiederkomme. Hier sehen wir, dass wir wegen vielfältiger Beschäftigungen oft unseren Dienst nicht zu Ende machen.

Ein  Mensch, der uneigennützig dient, dient bis zur Grenze seiner Möglichkeiten. Ein  Mensch, der eigennützig dient, dient nur, solange er daraus einen Nutzen, einen Vorteil hat. Dieser Samariter hatte weder Vorteil noch Nutzen. Sich entscheiden für den Dienst, der uns nichts bringt, das verlangt von uns Großzügigkeit.

Vor mehreren Jahren habe ich in Bratislava die Familie eines Psychologen kennengelernt. Diese Familie hatte zwei eigene Kinder, aber sie  adoptierte noch mehrere Kinder. Sie machten das nicht, damit die Menschen sie bewundern, sondern aus christlicher Liebe. Diese Familie war fähig,  diesen Kinder ein  wirkliches Daheim zu gewähren. Dort habe ich gesehen, für was alles die Liebe fähig ist, und dass für die Liebe alles möglich ist.

Die dritte Sache, die uns klar sein muss, ist, dass der Mensch  in Liebe dienen soll. Manchmal dienen wir ohne Liebe. Vielleicht haben wir angefangen, in Liebe zu dienen und irgendwie ist die Liebe dann verloren gegangen. Eine alte Frau beklagte sich: Meine Tochter nahm mich zu ihr. Sie betreut mich, aber ich sehe, dass sie das ohne Liebe macht. Stets macht sie mir Vorwürfe,  wie viele Sorgen sie  mit mir hat. Das verursacht mir großen Schmerz.

Die Liebe ist nicht eine einmalige Entscheidung.  Sie  ist ein immerwährendes Geschenk. Ein Mensch,  der Gott liebt,  hat dazu die Voraussetzungen. Die Liebe zu Gott soll zur Nächstenliebe führen.

Ein Priester erzählte, dass er unterwegs war, um eine Heilige Messe zu zelebrieren.  Das Dorf, in das er  fuhr, lag abseits der  Hauptroute,  wo die Menschen üblicherweise reisen. Auf einer Kreuzung hat er eine Frau bemerkt, die sein Auto stoppen wollte.  Er dachte: Diese Frau will  sicher nicht dort hin,  wohin ich fahre. Und er fuhr weiter. Dann überlegte er: Wenn sie doch in meine Richtung will. Er drehte um und die Frau stand noch immer dort.  Er blieb stehen und fragte die Frau: Wohin wollen sie? Sie sagte den Namen des Dorfes,  wo ich die heilige Messe zelebrierte sollte.

Vielleicht gelingen uns nicht sofort zu dienen und zu helfen. Aber wir haben die Möglichkeit es nachzuholen, wenn wir es vernachlässigt haben. Wir dürfen die Stimme Gottes nicht überhören. Der vorhin erwähnte Priester sagte: Ich wurde mir dessen bewusst, dass ich die Heilige Messe nicht so gut feiern könne, wenn ich in meinem Gewissen spüre, das ich dort nicht half, wo ich helfen konnte.

Diesen Priester sollten wir uns zum Vorbild nehmen, wenn wir einmal in eine ähnliche Lage kommen, wo wir gebraucht werden, wo es heißt zu dienen und zu helfen.

 

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