31.Dezember

31.Dezember

Ein Jahr, o Gott, ist wieder mit allen seinen Leiden und Freuden, mit allen Beschäftigungen und Erwartungen in das Meer der Ewigkeit hinüber geflossen. Es schien beim Eintritt endlos lang zu sein. Stunden, Tage, Monate hat es nun zurückgelegt. Als ich den ersten Morgen des neuen Jahres erlebt, glaubte ich, eine unübersehbare Zukunft für mir zu haben, aber ein Morgen und ein Abend nach dem anderen zogen immer etwas von der ungeheuren Summe ab.
Ein Augenblick verschlang den anderen, eine Stunde die andere, ein Monat den anderen, bis sich schließlich das ganze Jahr in die Abgründe der Vergangenheit verlor. Ein Jahr ist verflossen, also ein Teil meines Erdenlebens. Was kann ich tun oder unterlassen, damit eventuelle Folgen nicht die Ewigkeit damit belasten? Wie zahlreich sind die Pflichten, die ein einziges Jahr in sich schließt, wie unersetzlich der Verlust, wenn damit so manches verschwendet wurde; wie reich der Gewinn, wenn alles weise vollbracht worden ist. Alles verzehrt die Zeit; sie selbst ist unwiederbringlich vorbei. Nur Tugend und Laster überleben mit ihren Folgen die Zeit. Beide nehme ich als Zeugen meiner erfüllten oder nicht erfüllten Verpflichtungen in die Ewigkeit mit. O Gott, hätte ich dies während des Jahres öfters erwogen, ich würde nicht so vieles zu bereuen haben. O Gott, hilf mir, dass ich wenigstens künftighin nicht mehr mit dem peinlichen Gefühl der Schuld vor dir erscheinen muss. Lass mich immer mehr und mehr von der Wahrheit durchdrungen werden, dass nur Tugendhaftes wichtig ist. Stärke mich, o Gott, dass ich weiser denke, mich bessere und die künftige Zeit sorgfältiger benütze .Was mich bei einem Rückblick auf das vergangene Jahr beschämt, ist der Undank für die unzählige Summe des Guten, das ich aus deiner Hand empfing. Ich gebrauchte es teils nicht, sondern ich missbrauchte es. Deine Gnade kam mir zuvor. Kein Tag war leer an Wohltaten und Segnungen. Dafür danke ich dir, o mein Gott. Doch soll mein Dank nicht müßig sein. Ich will ihn künftig durch einen weisen Gebrauch deiner Wohltaten bezeugen. Du wirst mir auch ferner deine Gnade nicht entziehen, wenn ich mich bessere und Gutes tu. Mich erfüllt die Zukunft nicht mit bangen Sorgen. Sie steht unter deiner Aufsicht und deinem Schutz. Ich werde an deiner Vaterhand nicht verzagen, werde mich bemühen, zu tun, was meine Pflicht ist. Ich werfe mich also ganz deiner heiligen Vorsehung in die Arme. Im Leben und im Sterben bist du meine Zuversicht, mein Gott! Amen

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