Nach der Lehre Jesu Christi, muss die christliche Barmherzigkeit
1 allgemein sein d.h wir sollen keinen von unserer Liebe ausschließen, denn ein Jeder ist unser Nächster, unser Bruder. Wer also vom Geiste des Christentums durchdrungen ist, sieht nicht auf die Person, sondern auf die Not, und diese ist ihm Ursache genug, barmherzig zu sein. Ó wie selbstsüchtig wären wir , wenn wir nur an solchen Barmherzigkeit üben wollen, die durch das Band der Verwandschaft und Freundschaft mit uns verbunden sind. Ó wir wenig hätten wir von dem Gebote der allgemeinen Nächstenliebe verstanden und in uns aufgenommen, wenn wir nur an denen Barmherzigkeit üben wollten, die zu unserer bürgerlichen Gemeinde und zu unserer heiligen Kirche gehörten. Denn ongleich Jesus sich zunächst der verlorenen Schafe Israels annahm, so war er doch weit entfernt, übrigen, die Unglücklichen und den Heiden und Samaritanern von sich zu stoßen. Oder gat er nicht den Knecht des heidnischen Hauptmannes geheilt, hat er nicht unter den tehn Aussätzigen auch einen Samaritär gereinigt, hat er nicht die Tochter der kananäischen Frau vom Teufel befreit? So müssen wir alle Leidende, nicht nur die Glieder unserer Familie, unserer Kirche,sondern alle Menschen auf Erden mit Liebe umfassen und gegen sie barmherzig sein. Bei unserer Barmherzigkeit müssen wir nicht allein die leibliche Not zu heben suchen, sondern
2 besonders das Seelenheit der Leidenden bezwecken. Das Leiden, christlich geduldet,sehr heilsam sind, bezeugt die heilige Schrift und die christliche Lebenserfahrung. Fehlt aber dieser gottergeben Sinn, so werden sie nicht selten zum Verderben des Menschen. Ach wohin führt nicht das Unglück? Manche geraten dann in Unzufriedenheit, Murren und gar in Verzweiflung über Gottes Vorsehung. Wohin führt nicht Armut? Manche gehen dann zum Betrügen, Stehlen und zur Schlechtigkeit über. Wohin führt nicht Hilflosigkeit? Manche versinken dann in Neid, Missgunst, Lebensüberdruss. Welches Unheil kann also über Leidende hereinbrechen, wenn ihnen nicht eine barmherzige Hand hilft. Üben wir dann Barmherzigkeit, o so lasst uns besonders dahin streben, dass auch die Seele des Leidenden von Sünden und Lastern zurückgeführt und vor Verirrung beschützt und gesichert wird. Es war dem Heiland nicht genug leiblich wohlzutun, sondern er weckte die Unglücklichen auch zum Glauben und Glauben und Vertrauen, zur Demut und Dankbarkeit gegen Gott. Es war ihm nicht genug, den Kranken gesund zu machen, sondern er wollte ihn auch bessern, indem er die ernsten Worte beifügte. Sündige nicht mehr, damit dir nichts Ärgeres widerfahre. So soll auch unsere Barmherzigkeit fortan dazu beitragen, dass der Arme mit seinem Schicksale ausgesöhnt, dass der Kranke in seinen Leiden beruhigt und getröstet wird, dass der Notbleibende vertrauungsvoll gegen die Menschen bleibt.
3 Muss die christliche Barmherzigkeit freudig und demütig sein. Freudig muss sie sein, denn sagt die heil. Schrift. Gott liebt einen fröhlichen Geber. Der wahre Menschenfreund weiß, dass wer schnell und gerne gibt, doppelt gibt und hilft. Er lässt sich nicht lange erbitten. Dabei bleibt seine Barmherzigkeit demütig. Nicht ich, sondern Gottes Gnade durch mich hat geholfen , das ist seine Gesinnung und Sprache, wenn er Jemand erfreut und beglückt hat. Eine solche Demut des Herzens soll uns immer bei unseren Liebeswerken begleiten und fern sein von Eigenliebe und Ruhmsucht. Oder was wären wir , wenn wünschten als Wohltäter von der Welt bemerkt und anerkannt zu werden? Wahrlich, wir würden dann den Pharisäer gleichen, die ihre guten Werke ausposaunten, um von den Menschen gelobt zu werden. Wir hätten dann noch nichts von jener christlichen Gesinnung des Herrn, der da will, dass die linke Hand nicht wissen soll, was die rechte tut. Wir hätten dann noch noch nicht den Geist Christi erfasst und könnten dann einst auch nicht zu den Gesegneten des himmlischen Vaters gehören. Endlich muss
4 Unsere Barmherzigkeit anhaltend und von Dauer sein. Lesen wir wohl im Evangelium, dass Jesus heute die Elenden freundlich aufnahm, morgen hartherzig von sich wies? O nein,, die heil. Schrift sagt. Er ging umher und tat wohl, um dadurch zu bezeichnen, dass sein ganzer Erden wandeln im Wohltun bestand. So sollen auch wir tun. Die Barmherzigkeit soll nicht das Gefühl eines kurzem Augenblicks sein, sondern sie soll fortwährend von uns geübt werden, Sie soll immerdar in unserm Herzen wohnen und überall uns begleiten, Wir dürfen also nicht bald mitleidig, bald gefühllos, jetzt milde und freigebig dann kalt und roh gegen Notleidende sein, sondern die Barmherzigkeit muss bei uns eine herrschende Gesinnung und Stimmung des Herzens sein und bleiben. Da dürfen wrt nicht nicht selbstgefällig darauf sehen, wie oft wir Gutes getan haben, sondern wir sollen uns fragen. Wie oft kann ich noch Barmherzigkeit üben, wie viele bleibt mir noch übrig. Gewiss fehlt es uns hie nicht an Gelegenheit