Zum Ehejubiläum
Zum Ehe- Jubiläum
Fünfundzwanzig, fünfzig, sechzig, fünfundsechzig Jahre ehelicher Gemeinschaft sind ein Grund zu Freude und Dank. Dabei geht es nicht um ein Abwägen, nicht um ein Aufrechnen. Solche Jahre waren sicherlich gefüllt von Freude und Leid, von Wohl und Wehe. Das ist eben das menschliche Leben, das immer aus beidem fließt und in beides wieder mündet. Die Frucht auf dem Feld reift auch nur von beidem, von Regen und von Sonnenschein. So reift der Mensch aus Freude und Leid, beides gehört dazu. So sind die Jahre der Ehe ebenso gezeichnet von Gewinn und Verlust. Wir meinen nur oft, die Gewichte seien nicht recht verteilt. Wir bedenken zu wenig, dass wir beides brauchen, um Mensch zu sein. Unser Herz braucht Liebe und Tränen, und Tränen kommen aus der Freude ebenso wie aus dem Leid. Nur so wird die Liebe ganz und wirklich erfüllt, wird zur Kraft unseres Lebens.
Ist es noch notwendig nach fünfundzwanzig, fünfzig, sechzig, fünfundsechzig Jahren nach der Liebe zu fragen? Fragen wir nicht nach der Liebe, die so oft beglückt und so oft enttäuscht hat, fragen wir nach ihrem Urgrund, denn das ist die Frage, die im Leben aufrichtet und belebt. Die Liebe kommt von Gott her, sie ist aus Gott, sagt Johannes in seinem ersten Brief. Sie ist immer Geschenk und will als Geschenk weitergegeben werden. Dabei ist die Liebe, die aus Gott kommt, immer zugleich erlösende Liebe. Denn wir sind immer in der Gefahr, uns in uns selbst zu verkrampfen. Das Hemd ist uns näher als der Rock, sagt eine dumme und dennoch oft erfahrbare Wirklichkeit. Gott ist in der ganzen Fülle und Größe seines Seins der Für-andere, der sich immerzu verschenkt, an andere denkt, uns Menschen glücklich machen will, wenn wir das wollen. So ist seine Liebe Erlösung für uns. Denn wenn wir ihn suchen, zu ihm gehen, kommt er uns schon mit seiner Liebe und Gnade entgegen und löst die Schuld, aus der wir sonst nicht hinausfinden. Er erwartet nicht einmal eine Gegenleistung. Er stellt keine Bedingung. Für den Suchenden ist er da. Sind wir das ebenso? So bereitwillig und fraglos, ohne Frage wie er? Wir müssen einander lieben, weil Gott uns geliebt hat, sagt Johannes, damit seine Liebe in uns vollendet wird. Man kann das anders sagen. Das Gleichnis Jesu spricht vom Salz und vom Licht. Salz ist keine Mahlzeit. Man kann nicht davon leben, man kann es nicht als Nahrung genießen, dennoch benötigen wir es. Es gehört zu den Aufbaustoffen unseres Körpers. Deshalb spielt es in unserem Leben eine so wichtige Rolle und ist doch etwas so Unscheinbares, so Nebensächliches, so Billiges. Es ist kein Genußmittel , und dennoch macht es die meistens Speisen erst genießbar. Speise wird geradezu erst zum Genuss.
Es ist so wie immer in unserem Leben. Wir sagen Tag für Tag viele Worte, belanglose und wichtige. Wir sagen sie hart und scharf, damit wir nicht missverstanden werden. Wenn wir sie mit Liebe sagen, klingen sie anders, wirken sie anders.
So ist das Licht noch kein Leben. Dennoch braucht unser Leben Licht. Wie traurig wäre es auf dieser Erde, wenn es kein Licht gäbe. Wir brauchen vieles zum Leben. Erst das Licht gibt Schönheit und Farbe, gibt Glanz und Gestalt. Nur in die Sonne sehen können wir nicht. Unser Auge würde verbrennen. Die Sonne macht dennoch unser Leben erst schön. In ihrem Licht erkennen wir erst , was schön ist und gut. So ist die Sonne so etwas wie das Gütezeichen der Welt. Und die Liebe ist ist das Gütezeichen der Ehe, des Zusammen und Miteinander mitten im grauen Alltag unseres Lebens, mitten in den Sorgen , in den wir zu ersticken drohen. Salz und Licht und alles ist anders.
Warum ich das sage? Fünfundzwanzig, fünfzig, sechzig und fünfundsechzig Jahre sind Erfahrung genug, um das zu wissen. Erfahrungen jedoch muss man filtern. Man muss sie durch ein Sieb gehen lassen, damit die Jahre dieser Zeit sich lösen von der Asche und dem Staub unserer Resignation und Gleichgültigkeit, damit übrig bleibt, was Freude und Beglückung war. Das heißt ein wenig Zwischenbilanz machen, nicht als Abrechnung, ob man auf seine Kosten gekommen ist, sondern um den Weg zu erkennen, der in die Zukunft führt. Unser Leben wandelt sich von einer Stufe des Lebens zur andern. Wir erfahren uns selbst immer neu, und so muss die Liebe immer neu werden. Sie genügt heute nicht so, wie sie gestern war. Nicht nur die Welt um uns wandelt sich. Wir selbst wandeln uns von Tag zu Tag. Und wir müssen uns dem anderen, sich ebenso wandelnden Menschen anpassen, angleichen, immer neu mit ihm eins werden. Das heißt – die Ehe nicht nur fortsetzen, so wie sie in diesen Jahren war, sondern sie selbst zu einem Quell gegenseitigen geschenkten Lebens machen. So wird Ehe von neuem Salz und Licht, das hinausleuchtet über den engen, kleinen Kreis von Ehe und Familie, das zum Zeugnis jener Liebe werden kann, die aus Gott kommt und immer neu kommt, zugleich immer neu beglückend. So mag diese Stunde eine Stunde der Freude und des Dankes sein. Gott verschenkt sich uns immer neu, wenn wir immer neu den Mut haben, ihn anzunehmen und in unserer Mitte zu behalten. Möge seine bleibende Gegenwart die Frucht dieses Tages sein!
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