15.Sonntag im Jahreskreis C 2013 Lk 10,26_37

Einleitung
Das heutige Evangelium lehrt uns das Gebot der Nächstenliebe. Wir werden das Gleichnis vom barmherzigen Samariter hören und erfahren, dass es notwendig ist, zur Verwirklichung der Liebe, Menschen richtig sehen zu lernen.

Predigt
Jesus verurteilt das Verhalten des Priesters, der den Verletzten sah und einfach weiterging. Gleicherweise verurteilt er auch das Verhalten des Leviten, der den Verletzten ebenfalls sah und trotzdem weiterging. Beide sehen den Verwundeten nicht richtig. Im menschlichen Leben ist es nicht genug, einen Menschen nur mit den Augen zu sehen – auch Tiere sehen –, ein Mensch muss aber auch mit dem Herzen sehen.
Das Schulbeispiel eines richtigen Sehens ist der Samariter im heutigen Gleichnis. Jesus sagte von ihm: „Als er ihn sah, hatte er Mitleid mit ihm.“ Richtig sehen bedeutet also auch, Mitleid zu haben und dem Nächsten Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn wir lernen, unsere Nächsten mit dem Herzen zu sehen, dann sind wir auch bereit zu Taten der brüderlichen Liebe wie die des Samariters.
Damit unsere Liebe, unser Dienst am Nächsten gelingt, gibt uns Jesus drei Regeln:
Erstens müssen wir bereit sein, jedem Menschen, ohne Unterschied, zu helfen. Der Samariter fragt nicht, ob der Verletzte Jude oder Heide ist, ob er ein vorbildlicher Gatte oder geschieden ist. Er hat nur eines vor Augen, dass dieser Mensch auf seine Hilfe angewiesen ist. Das ist so wichtig, dass alle anderen Umstände im Hintergrund bleiben.
Zweitens: Einen Dienst am Nächsten dürfen wir nicht unter der Bedingung tun, dass der Nächste sich irgendwann und irgendwie einmal revanchieren wird, dass er uns einen Gegendienst leisten wird. Jesus sagt einmal, dass wir auch zum Gastmahl solche Menschen einladen sollen, die sich nicht revanchieren und uns nichts zurückzahlen können. Jesus will, dass wir den Dienst so selbstlos tun wie der Samariter, der nicht prüfte, ob der Verletzte reich ist und ob er seine Hilfe ihm einmal lohnen wird. Die Belohnung für jede erwiesene Liebe ist Jesus selbst – ihm dienen wir, wenn wir den Nächsten dienen. Er sagte: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Wir sollten nicht dienen und eine Belohnung von Menschen erwarten; Jesus ist unser Lohn.
Drittens: Wir sollten dem Nächsten immer in Liebe dienen, nicht mit Abneigung, mit Nörgelei, nur darum, weil wir es eben müssen. Man kann nicht Gutes tun ohne Liebe und ohne Herz. Gott wertet nicht die Größe unserer Taten, sondern die Größe unserer Liebe in jeder unserer Taten. Das ist die Grundforderung Jesu.
Ich möchte Ihnen jetzt noch eine wahre Begebenheit erzählen, die die Sensibilität für die Not des Nächsten zeigt. Vor 161 Jahren wählte man im Dorf Weyerbusch im Westerwald den 29-jährigen Herrn Raiffeisen zum Bürgermeister. Gleich gab es Kritiker, die sagten: „Der ist doch viel zu jung, unsere Gemeinde zu leiten.“ Da geschah es, dass es in diesem Jahr Unmengen Regen gab. Dadurch wurde das Getreide unbrauchbar, die Kartoffeln verfaulten, aber auch die Vorräte waren zu Ende, und vielen Bauern drohte das Unheil, im Winter ohne Brot zu sein.
Dieser junge Bürgermeister rief jedoch die 50 größten Landwirte der Gegend zusammen und fragte sie: „Was können wir machen?“ Die Antwort war: „Herr Bürgermeister, sie sind jung und wollen die Welt ändern! Das Leben lehrt uns eben, dass es immer schon Hunger gab und auch geben wird.“ Aus dieser Antwort ging hervor, dass er mit diesen Landwirten anders sprechen muss.
Er sagte zu ihnen: „Erlaubt mir, euch zum Begräbnis der Kinder einlade, die im Winter infolge des Hungers sterben werden!“ Einer der Männer erhob sich und sagte: „Sie wollen uns doch nicht zu Mördern machen.“ Was können Sie vorschlagen?“ Raiffeisen sagte: „Ich schlage vor, dass wir eine „Gemeinschaft des Brotes“ bilden.“ Wir brauchen Freiwillige, die in einem leeren Gebäude einen Backofen bauen. Ihr bringt Mehl und wir beschäftigen einen Bäcker. Jeden Tag werden wir Brot an die ärmsten Familien austeilen.“
„Und wie werden wir das alles finanzieren?“, fragte der Mann. Raiffeisen sagte: „Ich verlange von niemandem, dass er etwas umsonst gibt, sondern ich verlange nur, dass ihr 6 Monate lang – also bis zur nächsten Ernte – denen borgt, die die ärmsten sind.“ „Wer verbürgt uns, dass sie uns alles zurückgeben?“, meinte er. „Ihr selber mit euren eigenen Höfen!“, so die Antwort Raiffeisens. Da gab es einen Raiffeisen, dann auch den, der anfangs widersprach, und schließlich alle weiteren. Und es ist wirklich alles so geschehen, wie es Raiffeisen vorausgesehen hatte. In diesem Winter hungerte niemand und nach der nächsten Ernte wurden die Schulden zurückerstattet. So entstand im Jahre 1847 das erste Kreditinstitut. Heute gibt es weltweit Raiffeisenbanken. Raiffeisen, er war der Enkel eines evangelischen Pastors und er hatte den guten Willen und ein wenig angespartes Geld, aber vor allem trug er die Liebe zu den Menschen in Not in seinem Herzen. Auch das ist ein Beispiel für Hilfe, in diesem Fall institutionell – auch das ist ein Samariterdienst. Ein Dienst am Nächsten kann verschiedene Formen haben.

Dieser Beitrag wurde unter Sonntagpredigt veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.