17.Sonntag im Jahreskeis C 2013Lk 11,1-13

Einleitung
Eine orientalische Weisheit erzählt von einem Lehrer und seinem Schüler die folgende Geschichte: Der Schüler träumte, dass er ins Paradies gekommen sei. Er war sehr überrascht, als er dort seinen Lehrer, versunken ins Gebet, antraf. „Das soll das Paradies sein?“, sagte er, „aber genau das machen wir doch auch auf der Erde!“ Da hörte er eine Stimme: „Glaubst du, dass diejenigen, die beten, im Paradies sind? Im Gegenteil – das Paradies ist in denen, die beten!“

Predigt
Der Sinn des Gebetes ist nicht, eine Bevorzugung im Himmel zu erlangen oder Gott auf unsere Probleme aufmerksam zu machen. Der Sinn des Gebetes ist, Gottes Wirklichkeit zu vergegenwärtigen. Das Paradies ist also in denjenigen, die Zeit für das Gebet finden und richtig zu beten verstehen. Die Frage: Was bringt ein Gebet? – und auch Schwierigkeiten mit dem Gebet gibt es so lange wie die Menschheit existiert. Auch zur Zeit Jesu wurde dieses Thema eingehend diskutiert. Im heutigen Evangelium hörten wir über das Verlangen der Apostel: „Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seinen Jüngern beten gelehrt hat!“ Jesus lehrte ihnen daraufhin das Vaterunser. Es ist wahrscheinlich jenes Gebet, das er selbst schon als Kind in der Synagoge gehört hat. Im jüdischen „Kaddischgebet“ findet man die Gedanken des heutigen Vaterunsers. Da hat es geheißen: „Erhoben und geheiligt werde sein großer Name auf der Welt, die nach seinem Willen von IHM erschaffen wurde – sein Reich soll in eurem Leben in den eurigen Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel schnell und in nächster Zeit erstehen. Das Vaterunser-Gebet ist somit auch Vorbild für jedes andere Gebet.

Was bedeutet beten?

1. Beten ist ein Sprechen mit Gott – mit eigenen Worten, wie es die Apostel machten. Da heißt es im Markus-Evangelium im 6. Kapitel: „Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten.“ Das sollen wir auch machen. Alles Gott sagen, was wir getan haben, was wir erlebt haben, von Begegnungen mit Menschen erzählen oder ihm auch unserer Sorgen anvertrauen. Ein Beispiel dazu: Im ersten Buch Samuel ist die Rede von einer Frau namens Hanna. Sie hatte keine Kinder, war sehr verzweifelt und betete zum Herrn und weinte sehr. Als sie lange Zeit im Tempel gebetet hatte, sagte sie zum Hohenpriester Eli: „Halte deine Magd nicht für eine nichtsnutzige Frau, denn nur aus großem Kummer und aus Traurigkeit habe ich so lange geredet.“ Eli erwiderte und sagte: „Geh in Frieden! Der Gott Israels wird dir die Bitte erfüllen, die du an ihn gerichtet hast.“ Wir sollten also unsere Sorgen mit eigenen Worten vor dem Herrn ausschütten.
Der Theologe Karl Rahner hat einmal gesagt: „Bete den Alltag. Jeder unserer Tage ist eigentlich Gottes Tag, Zeit seiner Zuwendung, Zeit des Beschenktwerdens, Zeit der geteilten Sorgen, Zeit des mitgetragenen Leids. Das Gebet weiß darum, dass Gott an all unseren alltäglichen Erfahrungen teilnimmt. Diese Begegnung verwandelt, heilt, heiligt. Sie macht aus dem Alltag selbst ein Gebet, das nicht mehr von Worten, sondern von der Liebe geprägt ist.“

2. Beten kann auch ein Vortragen gelernter Gebete sein. Es ist gut, dass es auch diese Möglichkeit gibt, weil wir nicht immer die Kraft haben, mit eigenen Worten zu beten.
Im Tagebuch der Heiligen Theresa vom Kinde Jesu lesen wir: „Wenn mein Geist ganz ausgetrocknet ist, und mir keine Gedanken mehr in den Sinn kommen, dann bete ich langsam ein Vater unser und ein Gegrüßet seist du Maria. Diese Gebete geben mir Flügel, sie geben mir mehr geistige Nahrung als hundert andere Gebete. In diesem Sinne zu beten, bedeutet, in Gott auszuruhen, mit ihm sich zu vereinigen.“
3. Beten kann auch ein Verweilen in Stille vor Gott sein. Sich in Stille zu begegnen sind die glücklichsten Momente zweier sich liebender Menschen. Das tiefe Schweigen ist eine Aussage unseres Innersten. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard sagte in einem Zitat folgendes: „ Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht nur Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: Beten heißt nicht sich selbst reden hören, Beten heißt still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.“

Zum Schluss noch ein Zeugnis eines Priesters, dem seit vier Jahren ein Magengeschwür plagte, das schließlich operiert werden musste. Nach einer Woche wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und der Arzt verschrieb ihm Tabletten und eine strenge Diät. Die Tabletten nahm er regelmäßig. Die Diät konnte er nicht einhalten, da er viel reiste. Nach einem Jahr gab es neuerlich Schwierigkeiten mit dem Magengeschwür und er musste abermals ins Krankenhaus. Da machte er Gott Vorwürfe: „Herr, ich verstehe dich nicht. Du weißt doch, dass ich die vorgeschriebene Diät nicht einhalten konnte, da ich viel reisen musste, um dein Wort zu verbreiten. Du hast doch die Fähigkeit, mich zu heilen.“ Doch dann kam ihm der Gedanke: „Warum fürchte ich die Nacht, die einen neuen Tag bringt.“ Er gab sich ganz dem Herrn hin und dem Plan, dem er mit seinem Leben hatte. Er dachte nicht mehr an seine Gesundheit, sondern daran, Gottes Willen zu erfüllen. Dabei wurde er ganz ruhig und er sagte zu Gott: „Mache mit mir, was du willst!“ Schließlich fühlte er sich nach einigen Wochen so gut, dass er keine Tabletten mehr nehmen musste und auch keine Diät mehr einzuhalten brauchte. Sein Magengeschwür war geheilt. Er war davon überzeugt, dass es einem, wenn man sich Gottes Händen fallen lässt, an nichts fehlen wird.

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