26.Sonntag A Mt 21,28-32
26.Sonntag A 2014
Einleitung
Im Märchenbuch der Gebrüder Grimm findet man das bekannte Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein. Die Geißenmutter sagte zu ihren Zicklein: Ihr dürft auch überall im Haus aufhalten, nur in den Kasten, wo die alte Uhr ist, dürften ihr nicht hineinkriechen. Eines Tages, als die Mutter nicht zuhause war, kam der Wolf in böser Absicht zu Besuch. Da versteckten sich die Zicklein überall im Haus – einige unter den Tisch, einige andere unter das Bett, ein drittes in den Schrank. Nur ein einziges ungehorsames Zicklein versteckte sich im Uhrkasten. Alle hat der Wolf gefunden und aufgefressen, nur das eine im Uhrkasten war gerettet, denn er konnte es nicht entdecken. Wäre es richtig, das ungehorsame Zicklein dafür zu rügen, dass es den Befehl seiner Mutter übertreten und nur so sein Leben gerettet hat? Da fällt es mir nicht leicht, zu sagen, wer hier gehorsam und wer ungehorsam war.
Predigt
Eltern wissen, dass es hier nicht nur um ein Märchen geht, sondern das sind alltägliche Erfahrungen mit Kindern. Es ist nicht immer leicht, jemanden wegen eines Ungehorsams zu verurteilen, weil oftmals eine bestimmte Initiative und Kühnheit sich dahinter versteckt. Es ist auch nicht leicht, jemanden für seinen Gehorsam zu loben, weil da auch Faulheit und Verzagtheit dahinter sein kann.
Dazu ein ganz einfaches Beispiel: Eine Mutter hatte zwei Söhne. Der eine Sohn trank sehr oft über den Durst und wenn er nach Hause zu seiner Mutter kam, sagte er jedesmal: „Mutti, ich bin dir so dankbar für alles, was du für mich tust, was würde ich ohne dich machen?“ Der zweite Sohn war perfekt, er arbeitete in Bratislava im Ministerium. Er aber rief seine Mutter nur einmal im Monat an. Dieses Verhalten empfand die Mutter eigentlich als gefühlskalt.
Ich denke, dass solche menschlichen Erfahrungen auch Jesus dazu dienten, dass er diese Geschichte von den zwei Söhnen erzählt, die wir im Evangelium gehört haben. Um Jesus zu verstehen, müssen wir uns in die Situation hineindenken, in der diese Geschichte spielt. Jesus hatte vor sich die Pharisäer und Schriftgelehrten, die scheinbar alle Gebote getreulich erfüllten. Sie sagten JA zu Gott, aber es fehlte ihnen die aufrichtige und innige Liebe und auch die Barmherzigkeit. Jesus hatte vor sich aber auch Sünder und Zöllner. Diese sagten zuerst NEIN zu Gott, aber schließlich bekehrten sie sich und bereuten, als sie Jesus kennenlernten.
Was kann uns dieses heutige Evangelium nützen? Welche Sohn spricht uns im heutigen Evangelium an? Ich glaube, jeder von uns hat etwas von beiden Söhnen, denn manchmal sind wir faul und manchmal aber auch fleißig. In uns steckt Bequemlichkeit und das Bestreben, sich zu vervollkommnen. Wir sind der Sinnlichkeit und dem Materialismus ausgesetzt, wir sind Idealisten und überschreiten manchmal Grenzen. Es liegt an uns, was wir zum Schwerpunkt machen. Wenn uns an etwas liegt, so müssen wir uns bewusst sein, dass wir unsere Bequemlichkeit überwinden müssen.
Wenn zum Beispiel eine junge Frau ein kleines Kind hat, steht sie sogar mitten in der Nacht auf, wenn es etwas braucht. Durch die Liebe werden positive Eigenschaften erweckt. Auch Jesus hatte gewiss solche Momente, die er überwinden musste. Er wusste, dass das notwendig war. Auch wir haben die Fähigkeit, uns zu vervollkommnen – jeder von uns kann fleißiger und liebenswürdiger werden. Jeder hat die Möglichkeit, den Willen Gottes immer besser zu erfüllen. Es liegt an uns, diese Fähigkeit zu beleben. Wenn wir es nicht tun, dann könnten wir so werden wie die Pharisäer und Schriftgelehrten. Die Größe unseres Menschseins liegt darin, dass wir unsere Fehler erkennen und bereuen, anders als jedes Tier, das nur instinktiv handelt.
Im Alten Testament finden wir viele Personen, die mehrmals NEIN zu Gott sagten, aber später bereuten und das vollbrachten, was Gott ihnen anvertraut hat. In ihnen und auch in uns stecken also die Eigenschaften beider Söhne.
Zur Illustration noch eine kurze Geschichte: Ein Mann schreibt von sich, dass er bereits als 14-Jährige Dostojewskij gelesen hat und große Sehnsucht hatte nach dem Absoluten. Später trat er ins Seminar ein. Dort kam es zu Missverständnissen zwischen ihm und den Vorgesetzten. So hat er das Seminar wieder verlassen, seine Priesterlaufbahn beendet und sich sogar von der Kirche getrennt. Er protestierte und rebellierte gegen alles. Als er 20 Jahre alt war, hatte er ein Gespräch mit einer kranken Frau, von der er sehr berührt wurde. Sie starb aber bald danach. Er sagte: „Ich war gesund und traurig, sie war krank und glücklich.“ Nach diesem Gespräch kam es zu einer Bekehrung und er legte später das Gelübde der Armut, der Reinheit und des Gehorsams ab. Er lebte ein geweihtes Leben und widmeten sich sozialen Diensten. Da veränderte sich plötzlich sein Gesundheitszustand und er musste sich einer gründlichen ärztlichen Untersuchung unterziehen. Es war ihm aber nicht wichtig, wie das Ergebnis dieser Untersuchung ausfallen wird. Das wichtigste für ihn war, dass er Jesus als Vorbild für sein Leben gewählt hatte. Die Untersuchung zeigte, dass er ein bösartiges Geschwülst hatte. Von dieser Zeit an hat er angefangen, sich auf das irdische Lebensende vorzubereiten. Vor seinem Tod schrieb er: „Ich habe ein riesige Freude in meinem Herzen.“ Auf die Frage an ihn: „Welchen Tag in deinem Leben war der schönste und welcher der schwerste?“ antwortete er: „Der schönste Tag für mich, war, als man mir mitteilte, dass ich Krebs habe. Da freute ich mich, dass sich der Tag des Zusammentreffens mit Jesus nähern wird. Aber dieser Tag war für mich auch der schwerste, denn es schien mir, ich sei für diesen Augenblick noch nicht vorbereitet.“ Einmal sprach dieser Mann vor einer Gruppe junger Menschen und sagte: “ Ich kann nur eines sagen, es lohnt sich, Jesus nachzufolgen.“
Im Leben dieses jungen Mannes gab es also zwei Phasen – die Phase der Rebellion und des Ungehorsams und die Phase des Gehorsams, der Befolgung des Willens Gottes. Es ist wichtig, dass unser Leben einmal mit dieser zweiten Phase zu Ende geht.
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