Einführung
Mit dem deutschen Wort ,,denken“ ist das Wort danken unmittelbar verwandt. Wer nicht denkt, vergisst zu danken. Dankbarkeit gehört zu den Schulden, die jeder Mensch hat, aber nur die wenigsten Menschen tragen sie ab. Wir aber wollen zu den Menschen gehören, die Gott für seine Gaben dankbar sind, die nicht vergessen, Gott zu danken.
Predigt
Goethe sagt einmal: „Begegnet uns jemand, der uns Dank schuldig ist, sogleich fällt es uns ein. Wie oft aber können wir jemanden begegnen, dem wir Dank schuldig sind, ohne daran zu denken. Wenn wir etwas brauchen, wenn uns etwas fehlt, wenn wir vom anderen etwas erwarten, dann sprechen wir ihn an. Wenn wir es aber erhalten haben, scheint es so selbst verständlich zu sein, dass ein dankbares Eingehen darauf überflüssig wird. Deshalb mahnt Mose sein Volk eindringlich: „Denk daran! Vergiss nicht! Halte es dir vor Augen! Mach es dir immer neu bewusst!“ Ähnlich sagt es der heilige Benedikt in seiner Ordensregel: ,,Vor allem soll der Mönch das Vergessen Gottes fliehen! Diese Mahnung ist zwar schon 1500 Jahre alt, aber gerade auch heute wieder brandaktuell. Solange es uns gut geht, nehmen wir alles, was wir bekommen und besitzen, für selbstverständlich. Erst wenn wir etwas verlieren, bedenken wir seine Bedeutung. Dabei ist nichts selbstverständlich. Mit meiner Gesundheit kann es schon morgen schlecht bestellt sein, mein Wohlstand kann bald ein Ende haben, mein Arbeitsplatz mag in Kürze vielleicht wegrationalisiert werden. Die Erfahrung des Psalmisten ist auch heute noch gültig. „Sie essen Gottes Brot, doch seinen Namen rufen sie nicht an!“ Wer erinnert sich nicht an die mahnende Frage der Eltern: „Hast du auch danke gesagt?“ Sie wollten damit ihrem Kind nicht nur die Regeln der Höflichkeit beibringen, sondern es lehren, die Gabe des anderen zu respektieren und damit den Geber selbst.
Täglich kann ich Erntedank halten: Danken für die Ernte eines jeden Tages, für das erreichte Ziel, das bewältigte Problem, die überstandene Krise, den geschlichteten Streit, den Erfolg in Schule und Beruf, das gute Wort, den erfreulichen Brief. Wenn ich darüber nachdenke, muss ich einfach für danken.
Ich denke da an den dankbaren Samariter. Nur einer von den zehn Geheilten bedankte sich und nur an ihm ist das Wunder der Heilung ganz geschehen. Er hat die Tragweite des Geschenkes Gottes voll erkannt. Die anderen aber leben so weiter wie vor ihrer Krankheit, zum Dank haben sie keine Zeit, ihr Leben und ihre Geschäftigkeit rufen sie. Der Mensch schafft zwar viel aus eigener Kraft und eigenem Erfindungsgeist und sieht deshalb keinen Anlass zum Danken. Es ist auch kurzsichtig, zu sagen: „Weshalb soll ich Gott danken für das was ich mir im Supermarket kaufen kann? Wenn ich etwas weiter denke, werde ich mit meinen Gedanken auf den Geber alles Guten kommen, auf den Schöpfer, den Träger und Erhalter unserer Welt.
Wenn ich danke, trete ich mit Gott in Verbindung, ich erkenne sein Werk an mir und für mich an – sei es heute in der Erntedankfeier, wo wir besonders für die Früchte der Natur danken, sei es im täglichen Morgen-, Tisch- oder Abendgebet, in dem ich Gott lobe für das Gute, das er mir schenkt. Auch wenn ich nur einer von zehn sein mag, mein Dank widerlegt schon die These: „Undank ist der Welten Lohn!“