Erntedankfest 2015

Einführung

Mit dem  deutschen Wort  ,,denken“ ist das Wort danken  unmittelbar verwandt. Wer  nicht denkt, vergisst zu  danken. Dankbarkeit gehört zu den Schulden, die  jeder Mensch hat, aber nur die wenigsten  Menschen tragen  sie ab. Wir aber wollen zu den Menschen gehören, die Gott für seine Gaben dankbar sind, die nicht vergessen, Gott zu danken.

Predigt

Goethe sagt einmal: „Begegnet uns jemand, der uns Dank schuldig ist, sogleich fällt es uns  ein. Wie oft aber können wir  jemanden begegnen,  dem wir  Dank  schuldig  sind, ohne daran zu  denken. Wenn wir etwas brauchen, wenn uns etwas fehlt, wenn wir vom anderen etwas erwarten, dann  sprechen wir ihn an. Wenn wir  es  aber erhalten haben, scheint es  so selbst verständlich zu sein, dass ein dankbares   Eingehen darauf  überflüssig  wird. Deshalb  mahnt Mose  sein Volk   eindringlich:   „Denk daran! Vergiss nicht! Halte es dir vor Augen! Mach es dir immer neu bewusst!“ Ähnlich sagt es  der heilige Benedikt  in seiner  Ordensregel: ,,Vor allem soll der Mönch   das Vergessen  Gottes  fliehen! Diese Mahnung ist zwar schon 1500 Jahre alt, aber gerade   auch heute  wieder brandaktuell. Solange es uns  gut geht, nehmen wir  alles, was wir bekommen und besitzen, für  selbstverständlich. Erst wenn wir etwas  verlieren, bedenken wir seine Bedeutung. Dabei ist nichts selbstverständlich. Mit meiner Gesundheit kann es schon morgen schlecht bestellt sein, mein Wohlstand kann bald ein Ende haben,  mein Arbeitsplatz mag in Kürze vielleicht wegrationalisiert werden. Die Erfahrung des Psalmisten ist auch heute noch gültig. „Sie essen Gottes Brot, doch seinen Namen rufen sie nicht an!“ Wer erinnert sich nicht an die mahnende Frage der Eltern: „Hast du auch danke gesagt?“ Sie wollten damit ihrem Kind nicht nur die Regeln der Höflichkeit beibringen, sondern es lehren, die Gabe des anderen zu respektieren und damit den Geber selbst.

Täglich kann ich Erntedank halten: Danken für die Ernte eines jeden Tages, für das erreichte Ziel, das bewältigte Problem, die überstandene Krise, den geschlichteten Streit, den Erfolg in Schule und Beruf, das gute Wort, den erfreulichen Brief. Wenn ich darüber nachdenke, muss ich einfach für danken.

Ich denke da an den dankbaren Samariter. Nur einer von den zehn Geheilten bedankte sich und nur an ihm ist das Wunder der Heilung ganz geschehen. Er hat die Tragweite des Geschenkes Gottes  voll erkannt. Die anderen aber leben so weiter wie vor  ihrer  Krankheit, zum Dank  haben sie keine Zeit, ihr Leben und  ihre Geschäftigkeit rufen  sie. Der Mensch  schafft zwar  viel  aus eigener Kraft und  eigenem  Erfindungsgeist und sieht deshalb  keinen  Anlass  zum Danken. Es ist auch kurzsichtig,  zu sagen:  „Weshalb soll ich Gott danken  für das was  ich  mir  im Supermarket  kaufen kann? Wenn ich etwas weiter denke, werde ich mit meinen Gedanken auf  den  Geber   alles Guten kommen, auf den Schöpfer, den Träger  und Erhalter unserer Welt.

Wenn ich danke, trete ich mit Gott in Verbindung, ich erkenne  sein Werk  an mir und für mich  an – sei es heute in der Erntedankfeier, wo wir  besonders  für  die Früchte  der Natur danken, sei es  im täglichen Morgen-, Tisch- oder  Abendgebet, in dem ich  Gott  lobe für das Gute, das  er  mir schenkt. Auch wenn ich nur einer von zehn sein mag, mein Dank widerlegt schon die These: „Undank ist der Welten Lohn!“

 

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