Richtet nicht, und ihr werdet nicht gerichtet” Lk 6,37

In den meisten demokratischen Ländern gilt die Unschuldsvermutung für den Angeklagten, bis seine Schuld bewiesen ist. Es obliegt der Staatsanwaltschaft, seine Schuld zweifelsfrei zu beweisen. Doch trotz langwieriger Prozesse mit stundenlangen Zeugenaussagen, einer Fülle von Beweisen und Geschworenen, die alle Fakten abwägen, kommt es manchmal zu einem falschen Urteil. Das sollte uns auch nicht überraschen. Denn wie oft urteilen auch wir über jemanden und verurteilen ihn ohne weiteres Nachdenken – und würden unsere Hand dafür ins Feuer legen, dass wir Recht haben. Jesus wusste aus Erfahrung, wie schlecht Menschen sein können. Sogar er selbst wurde als Trunkenbold, Spötter und Lästerer bezeichnet. Wir können nicht in den Herzen der Menschen lesen, um ihre Motive zu verstehen, aber wir urteilen oft über Dinge, die nichts mit uns zu tun haben! Wir kritisieren die Menschen, die wir in den Nachrichten sehen, und wir verurteilen sogar Freunde und Nachbarn innerlich, sobald wir einen pikanten Klatsch über sie hören. Es ist, als ob wir sie ohne ein ordentliches Verfahren verurteilen würden.

Auch wenn wir manchmal Recht haben, was nützt das schon! Unser Urteil über andere ist eigentlich nichts anderes als eine Offenbarung unseres eigenen Herzens. Wenn wir Steine werfen, zeigen wir, dass unser eigenes Herz aus Stein ist (Joh 8,7). Schlimmer noch: Wenn wir jemanden verurteilen, verurteilen wir auch uns selbst. Um Vergebung von Gott zu erhalten, müssen wir uns unserer Sünden bewusst sein und in der Lage sein, anderen zu vergeben. Wir müssen lernen, mit unserer eigenen Schwäche und unseren Unzulänglichkeiten umzugehen, damit wir Werkzeuge der Barmherzigkeit und nicht der Verurteilung werden. Mit Jesu Hilfe können wir unseren Stolz und unsere verurteilende Haltung zugeben und ausmerzen. Jesus ist in jeder Messe in der Eucharistie gegenwärtig, um uns seine Barmherzigkeit zu bringen, damit auch wir sie den anderen erweisen können. Wenn wir an seinem Leib und Blut teilhaben, wird uns die Gnade zuteil, die Menschen so zu sehen, wie Gott sie sieht: als seine Kinder, die Geduld, Verständnis und Liebe brauchen. Wenn wir die Samen des Mitgefühls und der Vergebung in unseren Beziehungen säen, werden wir die Ernte in unserem Leben einfahren – und wir werden sehen, wie Gottes Reich um uns herum entsteht!

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