30.Sonntag A Mt 22,34-40

Einleitung

Ungefähr 200 Jahre vor Christi Geburt lebte der jüdische Rabbiner Hillel. Er war sehr klug und hatte den Ruf eines heiligmäßigen Menschen. Zu ihm kam einmal ein Heide und sagte: “Wenn du deine Religion zu erklären verstehst, in der Zeit, solange ich es aushalte, auf einem Fuß zu stehen, werde ich ein gläubiger Jude.” Rabbi Hillel gab ihm zur Antwort: “Was du selber hasst, das mute nicht anderen Menschen zu. Positiv gesagt: Was du willst, dass die Menschen dir tun, das tu auch ihnen!”

Als Jesus gefragt wurde: “Welches Gebot ist das erste und wichtigste? Da antwortete er: “Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.”

Predigt

Der Benediktinerpater Anselm Grün, der schon viele Bücher geschrieben hat, schreibt über die Liebe: “Liebe kann Ausgetrocknetem neues Leben geben, Verwelktes wieder zum Blühen bringen. Liebe gibt dem Hartherzigen Weichheit, dem Dunkel das Licht. Die Liebe ist eine Flamme, die erwärmt. Erstarrte und ausgebrannte Herzen verwandelt die Liebe in ein Feuerbett des Lichtes und des Lebens. Die Liebe gibt dem Leben erst seinen Sinn.” Daran zweifelt niemand. Es hängt aber von uns ab, dass wir die richtige Einstellung dazu haben,  das wir erkennen, was wirkliche Liebe ist und vermeiden, was  nicht wahre Liebe ist.

Mit seiner Antwort im heutigen Evangelium vereinigt Jesus die göttliche Liebe mit der menschlichen Liebe. Er hilft uns zu verstehen, das Gottesliebe und Menschenliebe zusammen gehören, in Harmonie zueinander stehen. Ich wiederhole nochmals diesen bedeutenden Satz: “Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit ganzer Seele und deinen Nächsten lieben wie dich selbst!” Was bedeutet das für uns? Das bedeutet, dass wir Gott den ersten Platz in unserem Leben geben sollen. Dabei will aber auch, dass wir alles, was wir tun, mit Liebe tun sollen. Gott den ersten Platz einräumen, verlangt von uns den eigenen Egoismus abzulegen. Es ist nicht immer einfach, alles in Liebe zu tun. Da stehen uns oft die Gewinnsucht, der Geiz und vieles mehr im Wege. Wir handeln oft so berechnend. Jesus lehrt uns aber heute, dass unser Tun in Liebe geschehen soll und das bedarf eines großen Umdenkens.

Dazu eine Geschichte: Vor dem Krieg wanderte ein Arzt namens Kurt von Deutschland nach Amerika aus. Er hatte in Berlin Medizin studiert und promoviert und wurde Kinderarzt. In Amerika wurde ihm mitgeteilt, dass dieses Studium nicht berechtigt, Arzt in Amerika zu sein und so musste er wieder alle Prüfungen ablegen, damit alles seine Gültigkeit hatte. Das dauerte natürlich seine Zeit und so durfte er bis dorthin seinen Beruf nicht ausüben. Eines Tages wurde er zu einem kranken Kind gerufen, aber er wusste, dass er ohne Berechtigung für Amerika nicht ordinieren darf. Er bat deshalb die Familie, ihren Hausarzt anzurufen. Dieser kam aber nicht, weil er noch kein Geld für den letzten Krankenbesuch bekommen hatte. Kurt geriet nun in eine unangenehme Situation. Wenn er nun als Arzt hilft, kann er aus Amerika ausgewiesen werden, wenn er nicht hilft, wird er Gewissensbisse haben. Da begann der Kranke zu röcheln und sein Vater bat Kurt flehentlich: “Helfen Sie uns doch, Sie sind doch Arzt! Lassen Sie doch meinen Sohn nicht sterben!” Da konnte Kurt nicht mehr länger zusehen und er kämpfte  zehn Tage lang um das Leben des Kindes. Am zehnten Tag war das Kind wieder halbwegs genesen und konnte wieder aufstehen. Kurt aber wurde verhaftet. Der Hausarzt, der nicht gekommen war, hatte ihn verraten. Aber auch die Menschen in der Nachbarschaft des erkrankten Kindes hörten davon. Als Kurt in den Gerichtssaal kam, war dieser mit Menschen gefüllt und noch bevor der Richter etwas sagen konnte, riefen sie: “Unschuldig, unschuldig!” Da schlug der Richter mit seinem Hämmerchen auf den Tisch und rief: “Ruhe, Ruhe, sonst lasse ich den Saal räumen!” Da meinte der Vater des Kindes: “Wenn Sie den Arzt Kurt zu einer Geldstrafe verurteilen, wir haben schon 86 Dollar gesammelt!” Da stand der Richter auf und verkündete das Urteil: ” Herr Kurt, Sie haben gegen das Gesetz verstoßen, aber Sie sind dem höheren Gesetz gefolgt, deshalb verurteile ich Sie nur zu einer Geldstrafe von 86 Dollar.”

Aus Geschichte kann man erkennen, wie tief im Menschen das Gute sein kann, seine Einstellung zu Mitleid und Hilfe. Der Mensch ist fähig, den Nächsten wie sich selbst zu lieben – auch mit dem Preis, seine Bequemlichkeit aufzugeben, sogar dann, wenn seine eigene Sicherheit bedroht ist.

Danken wir Gott, dass er uns immer wieder die Kraft zu lieben gibt! Die Liebe ist ja das, was unserem menschlichen Leben erst Sinn gibt. Danken wir Gott für seine Liebe, die er uns immer wieder schenkt, denn wir sind alle seine geliebten Geschöpfe! Wir sollen aber diese Liebe erwidern, indem wir diese Liebe weiterschenken an unsere Nächsten. So werden wir ein Leben in Fülle haben.

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