5. Fastensonntag C Joh 8,1-11

Einführung.

Die heutige Geschichte aus dem Evangelium, in der Jesus die Ehebrecherin vor dem Todesurteil rettet, zeigt uns einerseits die Schönheit der Barmherzigkeit Gottes gegenüber den Sündern, andererseits aber auch Gottes Gerechtigkeit gegenüber denen, die sich weigern, ihre Sündhaftigkeit anzuerkennen.

Predigt

In Form einer klaren und prägnanten Erzählung wird hier aber auch ein großes menschliches Versagen sehr anschaulich demonstriert: unsere Unfähigkeit, die Sünde vom Sünder zu trennen. Und es wird hier auch gezeigt, dass Jesus allein vergeben kann, damit die Wahrheit nicht verdunkelt und der Sünder nicht vernichtet wird. Tatsächlich will die heutige Welt die Sünder retten, indem sie die Macht der Sünde leugnet, aber das rettet die Sünder nicht, sondern verschlimmert im Gegenteil ihr Problem. Die schönste Botschaft des heutigen Evangeliums ist jedoch die Tatsache, dass nicht nur die Frau, die von Jesus vor dem Tod für ihre Sünde gerettet wurde, sondern auch ihre Ankläger eine zweite Chance auf ein Leben erhalten, aber auf ein echtes Leben, das heißt ein Leben ohne Sünde.

Schauen wir uns die Geschichte aus dem heutigen Evangelium etwas genauer an. Während Jesus im Tempel lehrt, bringen die Schriftgelehrten und Pharisäer eine Frau zu ihm, die beim Ehebruch ertappt wurde und für die das Gesetz des Moses die Steinigung vorschreibt. Diese Männer richten eine Art religiöses Volksgericht ein – sie stellen die Frau in die Mitte und erklären Jesus zum obersten Richter, wobei sie ihm anscheinend großen Respekt entgegenbringen, denn sie sprechen ihn sogar respektvoll mit “Lehrer” an. Sie bitten Jesus, den Sünder gemäß der entsprechenden Vorschrift des mosaischen Gesetzes (Dtn 22,21; Hes 16,38-40) zum Tode zu verurteilen. In Wirklichkeit aber haben sie Jesus eine Falle gestellt, weil sie Angst vor ihm haben und ihn töten wollen, was Jesus sehr gut weiß, denn er sieht in den Grund ihrer Herzen.

Die Pharisäer hofften, dass Jesus diese Frau retten wollte, aber damit würde er gegen das mosaische Gesetz verstoßen. Er hätte seine Autorität vor dem Volk verloren, weil er die Autorität des größten Gesetzgebers Israels abgelehnt hätte. Denn die Juden verstanden noch nicht, dass die Gesetze des Mose, obwohl sie durch die Autorität Gottes selbst geheiligt waren, dennoch unvollkommen waren, denn sie waren nur eine Vorbereitung des Volkes auf das Kommen des neuen Gesetzes. Und es ist Jesus, der dieses neue Gesetz bringt, das Gesetz der Liebe. Jesus knüpft an das alte Gesetz an, das in erster Linie darauf abzielte, die Sünde zu verurteilen, auch um den Preis der Verurteilung des Sünders, aber die Zeit ist gekommen, in der die Menschen lernen müssen, die Sünde vom Sünder zu unterscheiden und den Menschen gerade dadurch zu retten, dass sie ihn nicht mit seiner Sünde identifizieren. Jesus lehnt also nicht das mosaische Gesetz ab, das die Sünde zu Recht verurteilt, aber wie soll er den Menschen den oben erwähnten Unterschied zwischen Sünde und Sünder erklären? Wie soll er dem Volk erklären, dass Ehebruch tatsächlich eine Sünde ist, für die man von Gott den Tod verdient, aber gleichzeitig zeigen, dass Gott nicht den Tod des Sünders will, sondern dass er sich bekehrt und lebt? Die Falle, die die Feinde Jesu ihm stellten, bestand aber auch darin, dass sie, wenn Jesus diese Frau hätte steinigen lassen, auch gegen ihn gewonnen hätten, und zwar nicht nur, weil sie ihn vor den Römern hätten anklagen können, gegen das römische Recht verstoßen zu haben, die solche Hinrichtungen als rechtswidrig ahndete, sondern auch, weil er seinen Nimbus als barmherziger Freund der Sünder verloren hätte, um den ihn seine Gegner beneideten, die ihren Ruf der Frömmigkeit und Gesetzestreue gerade auf der Verurteilung von Gesetzesbrechern aufbauten.

Die Szene wird sehr dramatisch: Nicht nur das Leben der Angeklagten hängt von den Worten Jesu ab, sondern auch sein eigenes. Denn die heuchlerischen Ankläger tun so, als ob sie Ihn mit dem Prozess betrauen würden, während sie in Wirklichkeit Ihn selbst verurteilen wollen. Aber Jesus weiß, was im Herzen eines jeden Menschen vorgeht, und obwohl er die Sünde verurteilen will, will er auch den Sünder retten, also stellt er die Heuchelei dieser Ankläger bloß, nicht um sie zu vernichten, sondern um auch ihnen eine zweite Chance zu geben. Er tut dies auf meisterhafte Weise, wie es der Evangelist Johannes beschreibt: Während die Ankläger Jesus bedrängen, verneigt er sich und schreibt mit dem Finger auf den Boden. Was bedeutet diese geheimnisvolle Schrift von Jesus? Dafür gibt es viele Erklärungen, aber eine davon besagt, dass Jesus nichts Bestimmtes geschrieben hat, oder er schrieb in einer geheimnisvollen Schrift, die ohnehin niemand verstand. Augustinus sagt, dass es nicht um den Inhalt dieser Schrift ging, sondern um eine kraftvolle Geste, die Christus als den göttlichen Gesetzgeber darstellt. Denn die Bibel stellt Gott als denjenigen dar, der mit seinem Finger das Gesetz auf Steintafeln schreibt (vgl. Kommentar zum Johannesevangelium, 33,5) und sie Mose übergibt. Jesus wird hier als der göttliche Gesetzgeber, die personifizierte Gerechtigkeit Gottes, vorgestellt, die jedoch in einem neuen Licht erscheint, nicht mehr nur als Gerechtigkeit, sondern auch als Barmherzigkeit und Liebe.

Die Heilige Schrift bietet jedoch auch andere Erklärungen für diese Geste des Schreibens mit der Hand auf dem Boden, wie von Bibelwissenschaftlern festgestellt wurde. Der Prophet Jeremia zum Beispiel verwendet ein solches Bild: “Alle, die dich, Herr, verlassen, werden zu Schanden … Sie sollen auf den Boden geschrieben werden.” (Jer. 17:13). Die Erde wird hier als das Gewölbe der Unterwelt verstanden, in das die Gottverlassenen geworfen werden. Wir alle kennen die Geschichte aus dem Buch Daniel über die geheimnisvolle Hand, die das Todesurteil über König Belsazar während seines göttlichen Festmahls an die Wand seines Palastes in Babylon schreibt. Eine solche geheimnisvolle Schreibhand bedeutet also das Gericht Gottes. Und so verstanden es offenbar auch die Pharisäer und Schriftgelehrten, die sich in der Heiligen Schrift gut auskannten.

Und wie lautet das Urteil Gottes? “Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe zuerst einen Stein auf sie.” Mit diesen Worten stellt Jesus die Ankläger unerwartet vor Gericht – vor ihr eigenes Gewissen. Aber er verurteilt sie nicht, sondern bietet ihnen im Gegenteil eine neue Chance, indem er sie zur Umkehr aufruft, zu einer Lebensänderung, die mit der Erkenntnis der eigenen Sündhaftigkeit beginnt. Ihr Abgang von der Szene bedeutet nicht unbedingt ihre Schande und Niederlage, sondern zeigt vielmehr, dass sie die Worte Jesu verstanden haben und durch den Verzicht auf ihre Todesabsicht ihre Befreiung vom Bösen begonnen hat. Jesus zeigt hier also eine größere Gerechtigkeit als die Gerechtigkeit des Mose, er zeigt eine Gerechtigkeit der Liebe. Es ist eine Gerechtigkeit, die sogar Saulus von Tarsus rettete, wie wir in der 2. Lesung gehört haben (Phil 3,8-14), und ihn in den heiligen Paulus verwandelte.

Es ist die vergebende Liebe Gottes, die die Kraft hat, jeden von uns zu neuem Leben zu führen. Denn Jesus zeigt anschaulich, dass Gott nur die Sünde verurteilt, aber niemals den Menschen. Das ist eine ungemein freudige Botschaft für uns, denn auf diese Weise erhalten wir die Gewissheit, dass Gott uns unter allen Umständen liebt, dass seine Liebe zu uns bedingungslos ist und nicht von unserer Sündhaftigkeit abhängt. Gott bietet uns immer Vergebung und eine neue Chance, ein Leben ohne Sünde zu beginnen, wenn wir es wollen. Lasst uns in dieser Fastenzeit neu an Gottes Liebe glauben und von Jesus im Bußsakrament eine neue Chance auf Leben erhalten.

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